Das Wetter verwöhnt uns hier im Norden nicht gerade. Die Wolken hängen tief, ab und zu lugt die Sonne hervor. Die Temperaturen wagen sich kaum über die 20 Grad Grenze. Und immer wieder leichte Schauer. Mitte Juli – und es ist wie Frühherbst. I’am not amused!
Die Hamburger an meinem Tisch sind in der Klinik bekannt. Schon am Morgen am Tisch ein Hallo von allen Seiten, die Hamburger Plaudertasche entpuppt sich als Mister Charming, während seine Frau in seinem Schatten beginnt zu lächeln. Na wenigstens. Ich frühstücke schnell, ich mag es eher ruhiger am Morgen.
Ich hatte im Vorfeld angegeben, dass ich auch Gewicht reduzieren möchte. Die Beratung war gleich am ersten Tag, die Probleme herausgearbeitet, Lösungen dafür angeboten und es fand eine halbe Stunde eine Erklärung zu den verschiedenen aufgebauten Buffetts im großen Speisesaal statt. Erst dachte ich, was soll der Blödsinn? Aber die Köche und Kellner hatten sich sehr wohl etwas dabei gedacht. Mit einer positiven Einstellung zu diesem Thema gesegnet, konnte ich die Details gut abspeichern, weiß jetzt, wo die Nahrungsmittel zu finden sind, die ich meiden muss, obwohl sie ganz genau so aussehen und präsentiert werden, wie die, welche ich zu mir nehmen kann. Casus Knackus hier ist der Fett- und Kohlehydratgehalt.
Ok, ich halte mich eisern an die gemeinsam aufgestellten Regeln und bin gespannt,was es bringt.
Neben dieser wohl durchdachten Ernährungsberatung bietet die Klinik den doch erstaunlich vielen Rauchern eine Entwöhnung an. Das wurde vom Chefarzt auf seiner Eröffnungsveranstaltung ausführlich angesprochen. Ich war selbst erstaunt, wie viele Patienten auf der Pulmologie doch nach wie vor rauchen. Ich fand dieses Angebot beachtlich, zumal die Kosten der Substitution während des Kuraufenthaltes durch die Kostenträger abgedeckt werden. Und Nikotinpflaster scheinen nicht die preiswertesten Artikel zu sein. Das Angebot kam freundlich, ohne erhobenen Zeigefinger. Aber, wie bei Ärzten üblich, mit wissenschaftlicher Begründung und klarer Ansprache, dass Rauchen eine sehr hartnäckige Sucht sei. Warum erwähne ich das hier? Ich habe selbst bis zu meinem 39. Lebensjahr stark geraucht und bin jetzt heilfroh, 14 Jahre Nichtraucherin zu sein.
Am Abend geselle ich mich zu den Musikliebhabern. Eine Pianistin aus Odessa hat einen bunten Strauß romatischer Melodien vorbereitet, die sie mit Humor und Nachdenklichem präsentiert. Eine Stunde lang genieße ich die Musik am Flügel, tauche ab in Träume und freue mich, dass der Blumenwalzer von Tschaikowsky dabei ist. Ich erkenne Bach, Schubert, Schumann, Beethoven und die russischen Romatiker: Rachmaninow, Rimski-Korsakow und Glinka.
Die Pianistin ist erfreut, dass ich ihr in russisch danke, wir unterhalten uns kurz in ihrer Heimatsprache, sie ist seit 15 Jahren in Deutschland, hat am Konservatorium in Odessa gelernt und bedankt sich bei mir. Beschwingt fahre ich in mein Zimmer und schlafe gut.